Mein Leben im Spital vom 13. bis 19. September 2013

Informativ, unterhaltend, aber diskret ohne Namen zu nennen!

 

20. 09. 2013 (mit nachträglichen Ergänzungen, zuletzt am 25. Okt.): Der 13. September 2013 wird mir als der Geburtstag sicher in Erinnerung bleiben und dass ich an dem Freitag den 13. auch noch im Spital operiert wurde ist sehr speziell. Es ist alles gut gegangen und seit gestern bin ich wieder zuhause. Jetzt gilt es mindestens 6 Wochen lang und 24 Stunden am Tag so ein Abduktionskissen zu tragen und nach 3 Monaten darf ich wieder mit ganz leichten Arbeiten beginnen. Nach einem Jahr sollte die Sehne an der Schulter für meinen Beruf als Landwirt wieder voll belastbar sein. Man muss sicher viel länger Sorge tragen, als es die Taggeldversicherung lieb hat! Was ich in diesem Zusammenhang im Spital erlebt und beobachtet habe? Schönes, Amüsantes und auch Nachdenkliches! Schön, herzig und lieb fand ich die Pflegefachfrauen und die Lernenden. Habe darüber nachgedacht warum alle "Schwestern" so herzig sind, fast so herzig wie es meine Frau ist. Herzig sind sie ja alle, aber man empfindet sie noch herziger, weil sie so lieb, aufmerksam und hilfsbereit sind. Es wird gesorgt dass man keine Schmerzen hat und sich gut gepflegt und wohl fühlt. Sie erteilen aber auch Anweisungen, was sehr wichtig ist, aber nicht "jetzt müssen sie noch" oder  "würden Sie bitte", sondern "jetzt dürfen Sie..."  Ich finde den Ausdruck sehr schön und passend für das Leben im Spital. Es ist doch ansprechender etwas tun zu dürfen, als etwas tun zu müssen. Ich habe mir überlegt, ob man das "jetzt dürfen Sie" im normalen Leben auch anwenden kann. Ja, aber nur zu einem kleinen Teil. Hier zwei Beispiele wo sich das nicht eignet. Polizist: "Jetzt dürfen Sie noch eine Busse bezahlen" sieht schon schadenfreudig aus. Ehepartner: "Jetzt darfst du mich umarmen" signalisiert, dass du das  nicht spontan, sondern nur mit einer Erlaubnis tun darfst.  Meine Zimmergenossen waren deutlich älter als ich. Etwa um 20.00 Uhr wollten alle schlafen und verlangten, dass das Licht gelöscht werde. Einer wünschte sogar, dass die kleinen roten und grünen Lämpchen an den Ueberwachungsgeräten ausgemacht werden, was unmöglich ist. Ich fragte mich ob man im hohen Alter die Hälfte des restlichen Lebens verschläft und ob man da nur mit offenen Augen einschlafen kann. Ich bin mich gewohnt dass ich kurz vor Mitternacht ins Bett gehe und morgens um 06.00 aufstehe. So war ich halt als Einziger länger wach und verbrachte viel Zeit am Fernsehen und im Internet. (Habe den kleinen Laptop mitgenommen und bekam dann vom Spital den Wilan-Zugang) Beiläufig übernahm ich freiwillig kleine Ueberwachungsaufgaben. Der 85-jährige wollte oft unerlaubterweise ohne Hilfe der Schwestern das Bett verlassen. Da habe ich auf den Alarmknopf gedrückt und wenn nötig dafür gesorgt dass er seine Schläuche nicht abreisst. Ich tat das zu meiner Kurzweil gerne, das die "Schwestern" besonders in arbeitsintensiven Nächten zu schätzen wussten. Uebrigens, man sagt heute nicht mehr Schwester, sondern Pflegefachfrau. Der 7-tägige Spitalaufenthalt war insgesamt  angenehm und die damit verbundenen Gefühle waren tiefgründig und sehr  intensiv. Eine Lebensbereicherung! Ich bin allen Aerzten und Pflegenden sehr dankbar!  Ich versuche halt immer, mich mit jeder Lebenssituation anzufreunden, blende möglichst das Unangenehme aus und geniesse um so mehr das Positive.

Wie ich die Operation erlebt habe: vorgesehen war eine örtliche Anästhesie mit Nervenblockade mit der Möglichkeit zu einer Narkose, für den Fall dass dies notwendig wäre. So habe ich die Einwilligung unterschrieben. Bei der Vorbereitung wurde ich gefragt ob ich etwas spüre, sagte dann ich fühle so ein stechen, dann sah ich eine transparente Maske auf Mund und Nase zukommen. Fünf Sekunden später öffnete ich die Augen. Ich war in einem anderen Raum und mein erster Gedanke war "warum werde ich nicht operiert?", stellte aber fest, dass das Abduktionskissen bereits montiert war und die Uhr an der Wand zeigte fast 4 Stunden später.Ich fühlte mich sehr wohl und glücklich, wie Weihnachten und der 1.August zusammen und Geburtstag hatte ich noch echt dazu. Es war sehr ruhig und jemand kam auf mich zu. Es war die nette Pflegefachfrau vom Aufwachraum. Da war mir klar, dass ich eine Vollnarkose bekommen habe. Die Frau sagte mir dass ich ruckartige Bewegungen gemacht habe und die Schläuche wegreissen wollte, aber davon wusste ich nichts. Ich bin so erwacht, wie ich jeden Morgen zu Hause erwache, also von einer Sekunde auf die andere hellwach. Wir haben uns dann über die Landwirtschaft unterhalten. Ich weiss nicht woher sie wusste dass ich Bauer bin. Ich fragte sie ob sie eine Bauerntochter sei, was sie mit Ja beantwortete.  Im Nachhinein bin ich es mir reuig, dass ich sie nichts über mein Aufwachen befragt habe, wie lange ich im Aufwachraum war und ob ich eventuell schon vorher unbewusst so halbwach war und geredet habe.  Bewusst habe ich das so wahrgenommen: Vorbereitung zur Operation: 30 Minuten, Operation: 5 Sekunden, Aufwachraum: 15 Minuten. Früher hatte ich eine höllische Angst vor einer Vollnarkose; jetzt nicht mehr. Man nimmt das so war: Einschlafen und Aufwachen finden innerhalb von wenigen Sekunden statt, obwohl eine Operation von mehreren Stunden dazwischen liegt. Man gibt seinen Körper und Geist vertrauensvoll für eine gewisse Zeit zu 100 Prozent dem Operationsteam ab. Ich habe alles als sehr angenehm empfunden. Etwa 3 bis 4 Tage verspürte ich ganz leichte, kaum wahrnehmbare Schluckbeschwerden....., das sei vom Tubus (Beatmungsschlauch) der tief in den Hals gesteckt werde. Vom Schlauch selber habe ich nichts mitbekommen, weil der bei Bewusstlosigkeit eingeführt und entfernt wird. Man hört oft dass die Narkose vergesslich mache, aber bei mir ist das nicht der Fall. Wer eine Operation vor sich hat wird mehr oder weniger Angst haben. Das ist normal, aber eigentlich müsste man keine Bedenken haben. Man ist nie im Leben so gut überwacht wie während einer Operation und wenn es Komplikationen gibt ist man schon im Spital. Nach der Operation ist die gute Pflege mit den optimal dosierten Medikamenten und die Physiotherapie sehr wichtig, doch für die schnelle Heilung ist das liebevolle menschliche Umfeld im Spital und nachher zu Hause noch wichtiger. Ich habe nur sehr liebe und hilfsbereite Menschen um mich.

Jetzt noch etwas über das Alter. Wir alle wollen alt werden, aber niemand will alt sein. Ich denke man kann vorsorgen, wie man einmal alt ist. Halte dich körperlich und geistig fit, sei rücksichtsvoll und sei immer offen für Neues! Dann bis du auch im hohen Alter bei den Mitmenschen beliebt und strahlst Lebensfreude aus! Ich habe im Spital sehr unterschiedliche Senioren wahrgenommen. Da war der 80-jährige, mit dem ich gerne diskutiert habe. Statt sein Schicksal zu bejammern, erzählte er lieber einen Witz. Er staunte, als ich ihm sein Zuhause über Google-Eearth zeigte. Mit Interesse wollte er viel wissen, was man übers Internet herausholen kann. Mit den zwei anderen Mitpatienten konnte ich nicht gut reden, weil sie schwerhörig sind und eigentlich nicht reden wollten. Der Eine hat nachts seine 12 Stunden gut geschlafen, ausser dass er 2 mal geläutet hat. Die Nachtschwester sprach mit ihm im Flüsterton, damit die anderen nicht erwachen, er aber in seiner höchstmöglichen Lautstärke....., da musste ich einmal mehr schmunzeln. Der dritte Zimmernachbar war die Unzufriedenheit in Person. Er kommandierte besonders Nachts die Schwestern dauernd herum. Ich bewundere die Pflegefachfrauen, wie sie trotzdem immer nett und lieb bleiben. Ich denke, wenn einer sein Leben lang der Alleinherrscher war, dann ändert das auch nicht wenn er auf Hilfe angewiesen ist. Seine Frau besuchte ihn täglich. Das Gesprächsthema war immer dasselbe: Er wollte nach Hause und seine Frau versuchte ihn zu überzeugen, dass er jetzt noch im Spital Pflege brauche. Einmal habe ich beobachtet, wie er ihr mit der Faust auf die Oberschenkel boxte, sie aber nur mit den Worten "nei aber ou" reagierte. Man bekommt viel mit in einem Spital...., Freudiges und Nachdenkliches!

20. Oktober: Es geht mir heute recht gut und habe so gut wie keine Schmerzen. Gehe pro Woche zwei mal in die Physioterapie, was mir sehr gut tut. Meine Therapeutin macht das mit ihrem grossen Fachwissen so wie auch menschlich sehr gut. Nächsten Donnerstag habe ich eine Sprechstunde beim Arzt, der mich operiert hat. Er wird zufrieden sein mit mir....so wie ich mit ihm auch sehr zufrieden bin! Nach meinem Gefühl kommt es gut...., ich muss einfach weiterhin Sorge tragen! 25. Oktober: Heute vor 6 Wochen wurde ich operiert und ab jetzt darf ich beim Abduktionskissen täglich etwas Luft herauslassen. Bin dann froh wenn ich das Kissen in den nächsten 7 bis 10 Tagen loswerde. Nachts werde ich es aber noch weiterhin tragen müssen, wegen den möglichen wilden Träumen. Mt so einem Kissen sich in der Oeffentlichkeit bewegen hat auch seine interessanten Seiten. Die Blicke der Menschen sagen viel aus, von Mitleid bis Bewunderung. Ich wurde mehrere Male von wildfremden Leuten angesprochen "oh, das hatte ich auch" und es entwickelte sich ein nettes  Gespräch. Vielfach wurde einfach "Gute Besserung" gewünscht z.B. an der Ladenkasse und was mich jeweils besonders freute, ganz spontan von Kindern und Jugendlichen.

Somit schliesse ich den Bericht ab. Ich habe schon ein paar nette Reaktionen bekommen, was mich sehr gefreut hat.  hekru(at)bluewin.ch

Wenn jemand etwas genauer wissen möchte, oder selber eine Operation vor sich hat darf gerne fragen.